Vorbemerkungen
Im Folgenden gebe ich einen wirklich kurzen Einblick in das Thema der Metrik. Mir obliegt es dabei schlicht, dem Leser zu zeigen, wie sich Silbenbetonungen im deutschen Vers ergeben.
Der eine oder andere wird bereits hier geneigt sein, zu denken, dass sich eine Beschäftigung mit diesem Thema kaum lohnen könne. Denn schließlich lebe die Lyrik vom Gefühl, von Freiheit und nicht durch starre Theorie. Wer so denkt, erinnere sich an meine Ausführungen zu den Geschenkideen im vorangegangenen Aufsatz. Ebenso sei dabei auf die Worte Kaysers in seiner Einleitung im Werk Kleine deutsche Versschule verwiesen.
Wieso lohnt es sich aber, sich während des Schreibens Gedanken um etwas wie Metrik zu machen? Die Antwort kann unter anderem schlicht lauten: Wenn der Leser gewillt ist, ein Gedicht zu schreiben, dessen Inhalt auf besondere Art und Weise betont werden soll, dann ist es für ihn lohnend, sich mit der Theorie der Metrik auseinanderzusetzen. Allgemein sollte derjenige sich die Theorie aneignen, der auf eine Übereinstimmung von Form und Inhalt bedacht ist.
Abschließend sei an dieser Stelle bemerkt: Man muss nicht ein Gedicht im flüssigen Metrum schreiben. Man kann alle Gedanken rund um die Metrik gänzlich ablehnen. Aber das sollte erst dann der Fall sein, wenn man sich mit ihr beschäftigt hat. Das heißt, dass es nötig ist zu wissen, was es mit Silbenbetonungen beispielsweise auf sich hat. Erst dann kann man entscheiden, ob jene Gedanken auf einen entsprechenden Inhalt anzuwenden sind oder nicht.
Die nachstehenden Überlegungen und Gedanken sind wesentlich als eine Essenz der Arbeit Wolfgang Kaysers zu betrachten. An ihn halte ich mich wesentlich. Der Übersicht geschuldet werde ich nur an diesem Punkt auf ihn verweisen!
Erste Begriffe
Um über Metrik sprechen beziehungsweise die in jener Lehre enthaltenen Gedanken nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst einer Aneignung eines überschaubaren Vokabulars. Dieses wird nun erarbeitet.
Man betrachte die Verse:
Ich träumte einst in einer Nacht,
es wär´ das Jahr Dreitausendacht.
Liest er sie, wird dem Leser bereits ersichtlich, dass die Verse auf besondere Art und Weise eine gewisse Regelmäßigkeit in sich tragen. Worum handelt es sich hierbei?
Die Silben des Wortes träumte werden beispielsweise unterschiedlich betont, und zwar so, dass die erste mehr betont wird als die zweite. Handelt es sich um eine betonte Silbe, spricht man von einer Hebung. Ist von einer unbetonten Silbe die Rede, bezeichnet man sie als Senkung. Das Wort träumte hat also genau eine Hebung (erste Silbe) und eine Senkung (zweite Silbe). Welche Silben in längeren Worten betont werden und welche nicht, kann man jedem Duden entnehmen, wobei die Hebungen durch Unterstreichungen oder Punktierungen kenntlich gemacht sind.
Die letzte Silbe in einem Vers ist demnach auch entweder eine Hebung oder eine Senkung. Jene Silbe heißt Kadenz. Man unterscheidet dabei in männliche Kadenz (das ist der Fall, wenn die Silbe am Versende eine Hebung ist) und weibliche Kadenz (das ist der Fall, wenn die letzte Silbe unbetont ist). Je nach Anordnung der Kadenzen ergeben sich besondere Metren bzw. Rhythmen der Gedichte.
Ordnet man Hebungen und Senkungen in eine regelmäßigen Reihenfolge an, spricht man dabei von einem Metrum. Welche Arten es gibt und wie die entsprechenden Regelmäßigkeiten entstehen, wird im nächsten Abschnitt besprochen.
Hebung, Senkung, Kadenz und Metrum sind zunächst die ersten Grundbegriffe, die für weitere Erläuterungen gebraucht werden.
Entstehung eines Metrums
Will man die Betonungen der Silben der oben genannten Verse schematisch angeben, kann man unter anderem folgende Symbolsprache dazu nutzen:
x sei eine unbetonte Silbe
X sei eine betonte Silbe
Für jede Silbenbetonung wird nun ein entsprechendes X gewählt. So erhält man:
Ich träumte einst in einer Nacht, xXxXxXxX
es wär´ das Jahr Dreitausendacht. xXxXxXxX
Beide Verse haben also eine regelmäßige Abfolge von Hebungen und Senkungen und schließen jeweils mit einer männlichen Kadenz ab.
Wann gilt es aber ein großes und wann ein kleines X für eine Silbe zu setzen?
Den ersten Hinweis bietet, wie oben bereits erwähnt, der Duden. Dort erfährt man zunächst die Betonungsregeln für mehrsilbige Worte.
Wann entscheidet sich aber nun, wann ein einsilbiges Wort betont oder unbetont gelesen wird?
Dazu kann man sich der Leser folgende Faustregeln merken:
1, Ein einsilbiges Wort am Versende wird immer betont vorgelesen, erhält also ein großes X beziehungsweise sorgt es stets für eine männliche Kadenz.
2, Die Silbenbetonung im deutschen Vers folgt der sogenannten Alternierungsregel. Sie sagt aus, dass maximal zwei Senkungen aufeinander folgen dürfen. Folgen drei aufeinander wird die mittlere meist zu einer Hebung.
Hinzukommt der Umstand, dass meist einsilbige Substantive innerhalb eines Verses betont vorgelesen werden. Das ist aber nicht immer so. Der Leser kann sich dazu einen Vers vorstellen, dieser nur aus einer Aufzählung von Substantiven besteht. Dabei werden nicht alle Silben zu Hebungen.
Folgt man den Silbenbetonungsregeln von Duden und den Regeln 1 und 2, erhält an das oben aufgezeigte Schema von Hebungen und Senkungen der Beispielverse.
Metrenarten
Prinzipiell lassen sich vier Metrenarten erstellen. Andere Variationen kann man als Mischformen auffassen.
1, Jambus xXxXxXx…
2, Trochäus XxXxX…
3, Daktylus XxxXxxXxx…
4, Anapäst xxXxxXxxX…
Je nach Gedichtform oder Reimform oder Inhalt und so weiter kann sich der Leser ein geeignetes Metrum wählen, es mit einem anderen mischen oder gar nicht verwenden. Die unterschiedlichen Wirkungen, die Metren generieren können, gilt es für jeden Schreiber durch Üben herauszufinden. Denn auch hier gilt wieder: Nicht jedes Metrum ist für jeden Inhalt geeignet …
Abschlussbemerkung
Um zunächst die verschiedenen Betonungsregeln zu lernen oder zu üben, empfehle ich dem Leser ein klassisches Gedicht zur Hand zu nehmen – die von Goethe oder Platen eignen sich dafür beispielsweise. Man recherchiere in welchem Metrum jenes Gedicht verfasst ist und versucht einfach die Silben je nach Art der Betonung zu kennzeichnen – unterschiedliche Farben oder ähnliche Varianten. Ähnliches kann der Leser bei seinen eigenen Versen dann schrittweise anwenden. Je mehr man sich bemüht, jene Regeln zu lernen, desto leichter wendet man sie automatisch an. Das Schreiben im Metrum wird zusehends leichter fallen. Nicht jeder, aber viele Gedanken werden vermittels eines durchgehalten Metrums unterstützt. Welche das sind, hat der jeweilige Autor zu entscheiden, wobei wieder das oberste Gebot der Kohärenz gelten sollte!
Weitere Anregungen und noch viel tiefere Gedankengänge zum Thema Metrik finden sich in Kaysers Werk Kleine deutsche Versschule, das ich dem Leser abschließend ans Herz legen möchte!
Quellen
Kayser, Wolfgang, Kleine deutsche Versschule, 27. Auflage, 2002