Einleitung

 

Ich zeige in diesem Aufsatz kurz auf , wo heutzutage Lyrik zu finden ist und gehe der Frage nach, wieso sie einen so schlechten Ruf genießt. Dabei steht vor allem die These im Vordergrund, dass Lyrik derartig in Verruf geraten ist, weil Autoren es nicht mehr für nötig erachten, Form und Inhalt in ihren Werken passend zusammenzubringen.

Gedichte, egal welcher Art, sind literarische Erzeugnisse, die dem einen oder anderen Leser oder Hörer gefallen, anderen wiederum nicht. Ob ein Gedicht letztlich jemanden zusagt, obliegt der reinen Subjektivität, ist also abhängig von der Beschaffenheit der Person, die das Gedicht liest oder hört, unter Umständen sogar schreibt. Verbleibt man bei dieser Sicht, liegt es nahe, den Blick auf die heutige Zeit, in der die Lyrik scheinbar immer mehr an Bedeutung verliert, als unnötig zu erachten.

Doch an der Stelle angelangt möchte ich zunächst fragen: Was unterscheidet Gedichte, wie die eines Gryphius, eines von Platens, eines Goethes oder eines Schillers, von den heutigen? Ferner, wieso sind diese Autoren auch heute noch den Leuten ein Begriff? Dazu möchte ich den Leser um etwas bitten: Er möge bitte ein beliebiges Gedicht der als Beispiele aufgeführten Autoren zur Hand nehmen sowie im Anschluss ein Gedicht aus der heutigen Zeiten, welche man in Scharen in Internetforen, vielleicht sogar in Büchern in der Geschenkabteilung der Buchläden finden kann. Der Leser möge ohne Vorbereitung  beide Gedichte laut vorlesen und sich anschließend folgende Fragen stellen: Konnte ich beide Gedichte ohne zu stocken vorlesen, hatten die Gedichte eine Art Disposition zu einem bestimmten Vortrag oder eine, die dazu veranlasste, ein bestimmtes Gefühl beim Lesen zu haben, und schließlich, konnte ich auch beim ersten Mal den Sinn des Gedichtes erfassen, würde ich es noch einmal lesen? Der Leser sollte seine Antworten im Hinterkopf behalten, sie werden an anderer Stelle noch eine wichtige Rolle spielen. Zunächst müssen wir uns die Frage stellen:

 

Wo finden wir heutzutage Lyrik?

 

Schlägt man Tageszeitungen auf, findet man kein Gedicht, wenn man Glück hat, vielleicht noch einen kurzen Spruch des Tages. Robert Gernhardt bemerkte dazu schlicht: „Da, wo Lyrik ihrer Kürze wegen gut hineinpassen würde, in Tageszeitungen und Publikumszeitschriften nämlich, ist sie kaum mehr zu finden […].“ (Gernhardt, Seite 11). Tages – Fernseh – und Klatschzeitschriften sind denkbar ungeeignet, wenn man auf der Suche nach einem Gedicht ist. Allerdings gibt es spezielle Zeitschriften, die sich unter anderem oder gänzlich auf Lyrik spezialisiert haben. Sie sind meist leicht über das Internet zu finden, wo sie zu bestellen sind. In Zeitungsläden sucht man sie leider vergeblich.

Lässt man von Zeitungen ab, hat man die Möglichkeit, in Buchläden nach Lyrik zu suchen. Meist ganz hinten, in der letzten Reihe, dort, wo das Licht schon düsterer wird, sich nur selten ein Interessent verirrt, dort trifft man auf ein kleines Regal, mit der Überschrift Lyrik. Wenn man in einem guten Buchladen ist, findet man die Werke einiger Klassiker, wie Goethe und so weiter. Ist man in einem weniger guten Buchladen, findet man nur noch Heine, vielleicht noch etwas aus der Moderne, aber letztendlich nur buntbemalte Bücher in einem merkwürdigen Format. Natürlich möchte ich damit nicht aussagen, dass keine Bücher von neuen Lyrikautoren zu finden sind. Der Leser wird aber sicherlich meine gebrauchte Hyperbel verstanden haben. Diese Bücher jedenfalls haben sonderbare Titel wie Für Dich oder X Gedichte zum Wohlfühlen. Wenn der Leser das nicht glaubt, möge er sich Zeit und starke Nerven mit in eine Buchhandlung nehmen und sich davon selbst überzeugen.

Die meisten Gedichte, wobei ich immer vom deutschsprachigen Raum ausgehe, sind wohl oder übel im Internet zu finden. Dort findet man eine Vielzahl an lyrischen Foren, in welchen man seine Gedichte zur allgemeinen und breiten Kritik veröffentlichen kann. Offizielles Ziel der meisten Foren ist es, Gedichte zu bewerten, bei eventuellen nötigen Verbesserungen den Autoren Hilfestellung zu geben, auf dass ein Feinschliff oder überhaupt erst einmal  ein Schliff am veröffentlichten Gedicht erfolgen kann.

Zu guter Letzt gibt es mittlerweile recht populär gewordene Veranstaltungen, die sich Poetry Slam nennen. Wenn man gewillt ist, ein Gedicht allein hörend zu konsumieren, sollte man sich bei jenen Slams einfinden. Wobei es mittlerweile eine Beschönigung ist, bei den vorgetragenen Texten von Gedichten zu sprechen.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Nur wenige Zeitungen, die darüber hinaus aufgrund ihres meist geringen Bekanntheitsgrades schwer zu erhalten sind, beinhalten Gedichte. In den Buchläden, wenn sie groß genug sind, sind die ein oder anderen Bücher zu finden, meist jedoch von berühmten, längst verstorbenen Autoren oder man erhält lediglich in der Masse sogenannte Geschenkideen, ein richtiger Lyrikband (im Sinne eines Lyrikbands, den ein Autor allein verfasste und veröffentlichte) ist eher sehr selten. Die Masse an Gedichten ist in Internetforen zu finden. Letztlich zeichnet sich darüber hinaus ein Trend ab, bei Poetry Slams seine Werke der Öffentlichkeit kundzutun.

Lyrik ist also immer seltener, mit Ausnahme von Poetry Slams (wobei die Anzahl wirklicher Lyrik zusehends schwindet) in der Öffentlichkeit zu finden. Schnell könnte man sagen: Das liegt daran, weil es rein subjektiv ist, ob einem ein Gedicht gefällt oder nicht. Man kann gegen den Rückgang der Lyrik aus der Öffentlichkeit nichts unternehmen. Sie gefällt den Leuten in der Masse schlicht nicht mehr.

Liegt das aber allein an Subjektivität der Hörer oder Leser, oder haben es die Autoren versäumt, auf bestimmte objektive Maßstäbe zu achten?

 

Die Objektivität an Gedichten

 

Was in der Einleitung implizit war, möchte ich nun explizit formulieren: Auch wenn das Gefallen eines Gedichtes von der Subjektivität des Lesers oder des Hörers abhängt, gibt es ein objektives Kriterium, dass ebenso notwendig ist, damit ein Gedicht gefällt: Die Übereinstimmung von Form und Inhalt.

Was bringt diese Übereinstimmung mit sich? Um das zu verdeutlichen, möchte ich den Leser bitten, sich den Prometheus von Goethe zu Gemüte zu führen, wenn er ihn nicht noch den Schulzeiten geschuldet auswendig beherrscht. Der Leser erinnert sich ferner an die zahlreichen Fragen in der Einleitung? Versuchen wir sie gemeinsam zu beantworten, jedoch gleich auf eine etwas verallgemeinerte Weise. Ebenso wie im Prometheus weisen Gedichte, die eine Übereinstimmung von Form und Inhalt besitzen, etwas Besonderes auf, das vielen der heutigen Gedichte fremd ist: eine Disposition, gewisse Gedanken und Gefühle oder Emotionen beim Leser oder Hörer auszulösen. Blicken wir in eine sogenannte Geschenkidee in unseren gemeinen Buchläden, lesen nur ein beliebiges Werk daraus, so werden wir zum Schluss kommen, dass diese Disposition nicht existiert. Im Prometheus kommt die Disposition vor allem dadurch zur Geltung, weil Goethe das Gedicht nicht in Reimen verfasste. Die Verse wirken wild und frei, wenn nicht sogar ein wenig revolutionär. Der Inhalt kommt auf diese Weise bestens zur Geltung. Abschließend wird man sich einmal mehr dazu entscheiden, das Gedicht erneut zu lesen, als es bei den Gedichten aus unseren beliebten Geschenkideen der Fall ist. Um das auf anderem Wege verdeutlichen zu können, kann der Leser gern das Experiment unternehmen und den Prometheus so umschreiben, dass jeder Vers in Reimschemen gesetzt wird. Wird die Disposition des Werkes dann immer noch dieselbe sein, wie im Original, wird es immer noch eine Übereinstimmung von Form und Inhalt geben?

Ich möchte an dieser Stelle unsere Geschenkideen nicht gänzlich in ein schlechtes Licht stellen, das liegt mir fern. Jedoch ist zu kritisieren, dass die Autoren jener Werke keinen Wert auf die Übereinstimmung von Form und Inhalt legen. Liest man die Gedichte, erkennt man schnell, dass der eine Vers viel zu lang gegenüber den anderen Versen ist. Man erkennt, dass kein Sprachfluss entsteht, man erkennt, dass Verse einfach nur erdacht wurden, ohne Rücksicht auf den Inhalt, auf dass sich wenigstens zwei Verse im beliebten Paarreimschema reimen. Ist das jene Übereinstimmung von Form und Inhalt, beinhalten diese Gedichte jene Disposition?

Der kritische Leser wird bereits festgestellt haben, dass die Frage, ob er ein Gedicht wieder lesen möchte, von seiner Subjektivität abhängig ist. Gefällt mir der Gedanke oder das Gefühl oder die Emotion, die das Gedicht in mir auslöst? Das kann nur jeder für sich beantworten. Ist aber keine Disposition im Gedicht gegeben, erstellt sich damit nicht einmal die Möglichkeit, sich die Frage zu stellen, ob mir das, was das Gedicht mir vermitteln will, für mich interessant ist oder nicht. Fehlt eine Übereinstimmung von Form und Inhalt, damit die Disposition, Bestimmtes im Leser oder Hörer auszulösen, gibt es nicht die Möglichkeit des Interesses oder Desinteresses, sondern nur letzteres.

Der kritische Leser wird nun hier einwenden, dass auch Gedichte aus den Geschenkideen sich bestimmter Beliebtheit erfreuen, da sie nicht grundlos in den Regalen zu finden sind. Würde sie keiner kaufen, gebe es sie dort nicht. Wird aber die Geschenkidee gekauft, weil man der Überzeugung ist, dass die Werke darin wirklich Interesse beim später Beschenkten erwecken könnten, oder werden sie als Notlösung gekauft, gar als unpersönliches Geschenk, da man sonst keine weiteren Alternativen sich vorstellen kann? Um die  Frage zu beantworten, müsste man in die Regale der Beschenkten sehen. Dort, wo der meiste Staub zu finden ist, wird sich eine Geschenkidee vom letzten Geburtstag befinden. Ist das ein Indiz für Beliebtheit?

Pauschalisieren sollte man die entwickelten Gedanken dennoch nicht; davor möchte ich den Leser auch warnen! Wie gesagt, ob einem ein Gedicht gefällt, ist von der Subjektivität des Lesers abhängig. Demnach kann es ebenso möglich sein, dass eine Geschenkidee vor einem Hölderlin, Nietzsche oder Ringelnatz bevorzugt wird. Dabei sei aber angemerkt, dass die Ursache dieses Phänomens nicht in der Qualität der Gedichte zu suchen ist, sondern im Leser oder Hörer selbst. Das zu erläutern, würde dem Ziel des Aufsatzes nicht entsprechen. Demnach muss ich mich entschuldigen und den Leser mit Unklarheiten zurücklassen.

 

Kritik an Gedichten

 

Festzustellen ist heutzutage zweierlei: Es werden viele Gedichte geschrieben. Sie finden jedoch wenig Beachtung. Das liegt primär daran, dass sie keine Übereinstimmung von Form und Inhalt aufweisen.

Wie kann dieses Problem gelöst werden? Die benannten Internetforen bieten eine ausgezeichnete Grundlage, um Gedichte kritisieren zu lassen. Leider erfolgt das nur wenig konstruktiv. Viele Kritiker, deren Kenntnisse und Talent ich nicht abstreiten möchte, erkennen in ihren Evaluationen von Gedichten nicht den Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Kritik. Ein Beispiel für letztere ist: Ich finde das Gedichte gut oder schlecht, weil mir der Vers ist X gefällt oder nicht zusagt. Was soll ein Autor mit einer solchen Kritik anfangen? Soll er den Vers abändern, damit er einem anderen gefällt? Soll er beginnen, für das Wohlgefallen anderer zu schreiben? Auf Zuruf? Eine Kritik, welche man annehmen könnte, kann beispielsweise lauten: Im Vers X hast du einen metrischen Fehler gemacht. Dass er dort einen Sinn hat, geht aus dem Inhalt des Verses und des Textes nicht hervor. Im Unterschied zur subjektiven Kritik, wird hier etwas Allgemeines kritisiert und vor allem etwas, dass bei einsetzender Verbesserung wirklich der Qualität des Gedichtes zu Gute kommt.

Kritik anzunehmen, setzt jedoch zweierlei voraus: Ersten, dass man bereit ist, Kritik anzunehmen, zweitens, dass man angemessene, konstruktive Kritik erhält.

Wie eine solche Kritik aussehen kann, wurde benannt. Der Leser muss nun aber über ein weiteres Problem in den heutigen Zeiten aufgeklärt werden. Es geht um die Kritikbereitschaft. Hören wir dazu noch einmal Robert Gernhardt: „Erinnern wir uns: Die Lyrik ist uralt und weltweit verbreitet. Ungezählte Herzen und Hirne haben singend, betend, fluchend, spottend, preisend, klagend, tüfteln oder rasend unüberschaubar viele Möglichkeiten lyrischer Mitteilungen erprobt und überliefert, dazu einen Fundus bestens erprobter rhetorischer Haltungen, Figuren und Tricks.“ (Gernhardt, Seite 15) Ferner: „Da haben also Jahrtausende eine Technologie  verbaler Suggestion entwickelt und unendlich verfeinert – und kaum einer der heutigen Arbeiter am Wort interessiert sich für dieses Erbe.“ (Gernhardt, Seite 15)

Warum ist das so? Viele Autoren nehmen von ihren Texten keinen Abstand. Aber was bedeutet das? Der Leser möge sich an etwas in seinem Leben erinnern, vielleicht an etwas, dass mit Liebe oder Zorn oder dergleichen zu tun hat. Die Gedanken, die er dabei hat, möge er gleich auf Papier schreiben, vielleicht, wenn er es möchte mit Reimen oder anderen Stilmitteln. Dieses Werk möge er dann zur Kritik bereitstellen und sich nach Erhalt einer Kritik selbst beobachten. Hat man keinen Abstand vom Text, schreibt man also genau das auf, was man sich erdachte, bringt man einen Teil aus seiner Gedankenwelt direkt und ohne Schutz auf ein Blatt, so wird die Kritik nicht annehmbar sein. Anstatt zu sehen, dass eine textliche Kritik vorgenommen wurde, denkt man, dass man selbst und nicht das Werk kritisiert wurde. Dieses Phänomen ist häufig, gerade in den benannten Foren, anzutreffen. Vor allem Neulingen in der Lyrik ergeht es schnell so. Lyrik lebt davon, im Leser oder Hörer etwas auszulösen. Der schnellste Weg dahin, so glauben es viel zu viele, führe über die Mitteilung besonders emotionsgeladener Ereignisse im Leben. Schreibt ein Neuling ein Gedicht ohne Abstand über den Tod seiner Mutter oder dergleichen und wird dieses Gedicht dann kritisiert, kann sich der Leser leicht vorstellen, wie dem Neuling zumute sein wird.

Der kritische Leser wird hier bemerken, dass es nicht möglich sei, Abstand von einem Gedicht als Autor zu nehmen. Das Gedicht ist etwas, das durch Subjektivität, durch eigene Wahrnehmung, eigene Gedanken entsteht. Das ist aber nicht gänzlich so. Der Gedanke oder der Inhalt eines Gedichtes entsteht genau durch jene Subjektivität, das spätere gesamte Gedicht nicht. Denn wenn man einen Gedanken entwickelt hat, den man verdichten will, sollte man sich die Frage stellen: Welche Form passt zu diesen Gedanken, zu diesem Inhalt? Damit gelangt Objektivität in das Gedicht. Ferner fragt man sich: Wie drücke ich denn den Gedanken am besten aus? Das ist eine Frage, die ich unter die erste subsumieren würde. Aber auch anhand dieser Frage ist ersichtlich, dass ein Gedicht nicht gänzlich aus Subjektivität entspringt, im Sinne dass selbst die Form nach rein zufälligen und personenabhängigen Gründen gewählt wird. Dass allerdings von einem Gedicht, das man schrieb, niemals eine völlige Distanz einzunehmen ist, ergibt sich schon allein aus dem Fakt, dass es der Autor war, der sein Gedicht schrieb. Allein dort ist schon eine Verbindung und kein Abstand zu sehen.

Es sei bemerkt, dass nicht nur der Autor von seinem Gedicht, sondern auch der Kritiker davon Abstand halten muss. Schreibt ein Autor über einen Selbstmord, wäre es töricht vom Kritiker anzunehmen, dass er, der Autor, wirklich einen Selbstmord plant. Aber hier ist ebenfalls Differenziertheit gefragt. Zu ihr gelangt man letztendlich schlicht mit der Kenntnis, wann ein Gedicht auf bestimmte Weise geschrieben wurde, ob der Autor davon Abstand nehmen konnte, oder nicht.

Abstand vom Gedicht kommt vor allem durch Objektivität zustande. Zu ihr gelangt man wesentlich durch Übung, ebenso durch konstruktive Kritik.

Abschließend möchte ich dem Leser weitere Erfahrungen schildern. Kritik wird leider von vielen Leuten vorgenommen, die nicht in der Lage sind zu kritisieren. Ihnen fehlen schlicht die Kenntnisse dazu. Sich von jemandem ohne Kenntnisse kritisieren zu lassen, ist unzulässig und demnach muss auf diese Personen nicht Acht gegeben werden.

Offensichtlich wollen viele Autoren heutzutage einfach nur gelesen werden, einmal in ihrem Leben Anerkennung erfahren mit dem, was sie geschrieben haben. Solche Leute wirklich konstruktiv zu kritisieren, ist eine Sache der Unmöglichkeit. Denn ihnen geht es nicht darum, sich in ihrem Stil zu verbessern, wirklich der Frage nachzugehen, welche Form am besten auf einen bestimmten Inhalt passt, sie wollen beachtet werden, mehr nicht.

Zusammenfassend möchte ich die These aufstellen, dass die Lyrik heutzutage ihren schlechten Ruf vor allem aus dreierlei Dingen heraus genießt:

Autoren nehmen sich nicht mehr die Zeit, eine Übereinstimmung von Form und Inhalt in ihren Werken zu entwickeln.

Neulinge in der Lyrik gehen in der Masse von arroganter und unqualifizierter Kritik unter,

aber auch aus dem Grund heraus, dass Neulinge durch mangelnden Abstand zum Texte keine Kritik vertragen.

Viele Autoren sind allein daran interessiert, ihren Durst nach Ruhm und Ansehen zu stillen, anstatt sich Zeit zu nehmen, ein qualitativ hochwertiges Gedicht zu schreiben.

 

Abschlussbemerkung

 

Es geht nicht darum, einem Sonett oder einer Sestine den Vorrang vor einem modernen Gedicht zu gewähren. Das, lieber Leser, kann auch nicht der richtige Weg sein. Alle Gedichte verdienen es, gelesen oder gehört zu werden, aber nur unter einer Bedingung: Form und Inhalt müssen zusammen passen. Bestimmte Motive lassen sich nur schwer neu und immer wieder neu ausdrücken. Das tut aber, falls ein Neuausdruck eines Motives nicht erfolgt, einem Gedicht keinen Abbruch. Selbst wenn die Inhalte und die darin gewählten Motive noch so naiv, noch so einfach sind, sind diese Gedichte lesens- und hörenswert, wenn jene Übereinstimmung von Form und Inhalt ersichtlich ist!

Kehrt man von Gedichten ab, die Reime aufweisen, weil man meint, Reime engen die Gedanken ein, so kann das zulässig sein. Kehrt man von ihnen allerdings ab, weil man zu faul ist, sich die Mühe zu machen, einen Reim, der in einem Metrum auftaucht, zu verfassen, braucht man sich nicht wundern, wenn man in den Weiten eines Internetforums untergeht oder in einer Geschenkidee zu lesen ist.

Wenn das aber der Leser wirklich anstrebt, aus welchen Gründen auch immer, möchte ich ihn zum Abschluss fragen: Sind dir deine Gedanken wirklich derartig wenig wert?

Natürlich wurde nun viel kritisiert. Und Kritik allein, ohne Verbesserungsvorschlag, bleibt nutzlos.

Im folgenden Aufsatz versuche ich dem Leser aufzuzeigen, dass es sich lohnen kann, Zeit in Reim und Metrik zu investieren.

 

Quellen

 

Gernhardt, Robert, Gedanken zum Gedicht, 1990