Über den Bundesfreiwilligendienst im ländlichen Kunst- und Kulturbereich

 

Es ist gute Tradition in Deutschland, etwas, das als wenig wertvoll erachtet wird, mit einem langen, wohlklingenden Ausdruck zu versehen, der dann aber, früher oder später, so abgekürzt wird, dass man weiß, wie es um die eigentliche Bedeutung und Wertschätzung bestellt ist. Das gilt auch für den Bundesfreiwilligendienstleistenden, oder einfach nur: den Bufdi, dessen Situation im ländlichen Kunst- und Kulturbereich einmal mehr auf ein generelles Problem in Deutschland hinweist.

Die Motive für den Bundesfreiwilligendienst sind zahlreich. Für viele ist er attraktiv, um ein paar Euro mehr im Monat zu verdienen, eine Krankenversicherung bezahlt zu bekommen, einfach wieder aktiv im Berufsleben zu sein, das heißt sich „zu reintegrieren“, wie es liebevoll auf Ämtern heißt, erste Berufserfahrungen zu sammeln, einen ersten Arbeitsplatz in einem fremden Land zu erhalten, die Sprachkenntnisse aufzubessern, sich einfach aktiv an etwas zu beteiligen oder um schlichtweg wieder unter Menschen zu kommen und etwas für das Allgemeinwohl zu tun.

Für Bundesfreiwilligendienstleistende muss nicht viel bezahlt werden: ein bisschen Versicherungsschutz und ein kleines „Taschengeld“, wie es so schön verniedlich wird, genügen. Je nach Alter und je nach Vertrag ist dann eine halbe oder eine volle Stelle anzutreten, sodass man eine Arbeitskraft für wenig finanziellen Aufwand erhält, was umso mehr wiegt, je qualifizierter die Bundesfreiwilligendienstleistenden sind. Wenn man annimmt, dass jemand für 24 Stunden Arbeit in der Woche am Monatsende vielleicht 300 Euro, meist sind es weniger, erhält, kann man sich leicht den Stundenlohn ausrechnen.

Die unterbezahlten Arbeitskräfte, die oftmals überdurchschnittliche Qualifikationen aufweisen, werden laut Verträgen nach bestem Wissen ihren Fähigkeiten und Kenntnissen gemäß eingesetzt. In der Realität werden sie schnell zum Lückenfüller. Besonders dort, wo unliebsame Arbeiten anfallen, werden sie eingesetzt: Auf- und Abbau, Austragen, Einsammeln, Ausschenken, Kassieren, Tragen, Putzen, Dekorieren, Blumengießen, Müllhinaustragen und das allseits beliebte Kaffeekochen. Sie werden schnell zu Handlangern degradiert, ohne den eine Kunst- und Kultureinrichtung dennoch nicht funktionieren würde, denn während die Führungsetage, egal ob Vereinsvorstand oder Geschäftsführung, ihren Kaffee schlürft, halten die Bundesfreiwilligendienstleistenden den Betrieb der jeweiligen Einrichtung aufrecht.

Schnell wird eine Hierarchie aufgebaut, da Kunst- und Kultureinrichtungen im ländlichen Raum allzu oft von Personen geleitet werden, die von transformaler und transaktionaler Führung noch nie etwas gehört haben und nie hören wollen, denn es gibt für sie nur einen Gedanken: Wer Chef ist, hat das sagen, wer Chef ist, macht die Vorschläge, wer Chef ist, bestimmt, was zu tun ist – und wer nicht Chef ist, hat zu gehorchen. Vorschläge der Bundesfreiwilligendienstleistenden werden selten und wenn dann nur zähneknirschend angenommen, gleich mit dem Plan, die Fremdidee am Ende als die eigene zu verkaufen.

Es verwundert daher nicht, dass man in Zeitungsartikeln, oder, sofern die jeweilige Einrichtung etwas vom Internet mitbekommen hat, Postings oder Videos kaum die billigen Arbeitskräfte sieht oder ein Dankeswort liest. Nein, man sieht die Führungsebene mit strahlenden Gesichtern, die irgendetwas zur Präsentation in die Kamera halten oder mit anderen wichtigen Personen, das heißt Geldgebern, Hände schütteln. Es heißt dann, dass die jeweilige Führung etwas geleistet hätte. Aber auch die Phrase „Wir haben dieses und jenes gemacht/erreich/umgesetzt“ erfreut sich größer Beliebtheit – stets mit Betonung auf „Wir“ –, wohlwissend, dass während des Kaffeeschlürfens und des Tratschens diejenigen, die in der Hackordner der Kunst- und Kultureinrichtung zu finden sind, den Großteil der wirklichen Arbeit erledigt haben.

Läuft allerding etwas in der Einrichtung falsch, sinken die Besucherzahlen, brechen die Umsätze ein, werden Partner verloren oder gibt es einfach nur unvorteilhafte Reaktionen auf eine Berichterstattung – alles Bereiche, die der Führungsetage zugeordnet sind –, dann ist es ein Leichtes, den passenden Sündenbock für alles Scheitern zu finden: die Bundesfreiwilligendienstleistenden, denn die haben plötzlich, obwohl das nicht Teil ihres Arbeitsvertrages ist, dieses und jenes nicht gemacht, hier und dort einen entscheidenden Fehler begannen oder die Einrichtung in einem schlechten Licht dastehen lassen. Die Anschuldigen sind so vielfältig wie die verpassten Gelegenheiten, Wertschätzung und Dank denjenigen gegenüberzubringen, denen es zu verdanken ist, dass so viele Kunst- und Kultureinrichtungen überhaupt noch bestehen, obwohl sich in den Büros und auf den Chefsesseln ein Geist hartnäckig hält, der mit einer modernen, globalisierten, digitalisierten, aufgeschlossenen, toleranten und vielfältigen Gesellschaft nichts zu tun hat.

 

Sollte man einen Bundesfreiwilligendienst antreten? Ja, denn er bietet genug Potenzial für eine erfüllende Tätigkeit. Nur sollte man vor Arbeitsantritt genau, und es sei noch einmal betont, genau prüfen, wem man seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.